Im Rahmen der Kooperation absolvieren die jungen Erwachsenen im ersten Jahr eine klassische Ausbildung zum Steuerfachangestellten (jede Woche 3 Tage Betrieb, 2 Tage Berufsschule). Im zweiten und dritten Ausbildungsjahr steht nur noch ein Berufsschultag pro Woche auf dem Stundenplan. Die restliche Zeit wird durch betriebliche Praxis und Hochschulstudium (BWL) gefüllt. Nach Abschluss der Ausbildung zum Steuerfachangestellten (3 Ausbildungsjahre) erfolgen weitere betriebliche Praxis und die Bachelorarbeit. Nach viereinhalb Jahren sind Berufsausbildung und Hochschulstudium abgeschlossen. Diese Qualifikation ermöglicht einen schnellen Zugang zur Steuerberaterprüfung.
„Früher gingen die Leute zum Pfarrer, heute gehen sie zum Steuerberater“, erzählt Professor Claus Koss (OTH Regensburg) von den Beobachtungen eines Pfarrers in seiner Verwandtschaft. Nach der Geburt kommt die Frage nach dem Kindergeld, dann geht es um die Lohnsteuer, bei der Heirat um das Ehegattensplitting und nach dem Tod kommt die Erbschaftsteuererklärung. Die Arbeit in der Steuerberatung ist umfassender und vielfältiger geworden. Studienrat Michael Hien (Mathias-von-Flurl-Schule) stimmt dem zu: „Schon die Ausbildung in der Berufsschule ist breit aufgestellt“, verweist er auf Vielzahl der Inhalte. Neben der kaufmännischen Grundausbildung müssen die Auszubildenden in der Berufsschule beispielsweise Buchführung nach Handels- sowie Steuerrecht lernen. Dazu kommen Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Grundlagen vieler anderer Steuern. „Selbst grenzüberschreitende Transaktionen sind nach Abschluss der Berufsschule kein Problem“, betont Studiendirektorin Ingrid Vandieken, die zuständige Fachbetreuerin der Berufsschule.
Der Schulleiter der Staatlichen Berufsschule II Straubing-Bogen, Oberstudiendirektor Werner Kiese, hebt zudem den Wert der allgemeinbildenden Fächer an der Berufsschule hervor: „Gute Kenntnisse in Deutsch brauche jeder in der Kanzlei. „Wenn schon das Anschreiben voller Rechtschreibfehler ist,“ so sagte er beim Gespräch in Straubing, „wird der Mandant auch dem fachlichen Inhalt misstrauen.“ Im Hinblick auf andere Fächer in der Berufsschule wie Sozialkunde ergänzt sein Stellvertreter in der Schulleitung, Oberstudienrat Oliver Gebhard schmunzelnd: „Ein Steuerberater sollte schon wissen, wer die Steuergesetze macht.“
Schulleiter Kiese sieht in der geplanten Kooperation mit der Hochschule den Wert der Berufsschulbildung unterstrichen. „Wir vermitteln die Basiskompetenzen, damit haben die Auszubildenden gute Grundlagen für einen erfolgreichen Start in den Beruf.“
Dem Koordinator für das Duale Studium an der Mathias-von Flurl-Schule, Michael Hien, geht es vor allem um den regionalen Aspekt: „Wer qualifizierte Mitarbeiter in der Region halten will, muss diese auch in der Region qualifizieren.“ Durch die Berufsausbildung in den Kanzleien und in der Berufsschule, kombiniert mit dem Hochschulstudium in Regensburg, könnten die künftigen Steuerspezialisten in Straubing und im Landkreis Straubing-Bogen bleiben.
Der Verband der Steuerberater (LSWB) engagiert bereits seit Längerem für das Duale Studium. Der Leiter des örtlichen LSWB, der Straubinger Steuerberater, Dr. Paul Peter Kern, begrüßt die zusätzliche Möglichkeit einer weiteren Qualifikation. „Es muss viele Wege in der Steuerberatung geben“, ist seine Überzeugung. Ihm gefällt besonders die Kombination von Berufsausbildung und betriebswirtschaftlichem Studium. „Steuerberater sind heute mehr denn je die ersten Ansprechpartner ihrer Mandanten, nicht nur in steuerlichen Fragen“, so Dr. Kern. Betriebswirtschaftliche Beratung sieht er als das Arbeitsfeld der Zukunft. Bereits bei der steuerlichen Beratung müsse der Berater immer überlegen, „rechnet sich das auch betriebswirtschaftlich?“
Die Kooperation findet bayernweit Beachtung. Der Präsident des LSWB, einem Zusammenschluss der Steuerberater Bayerns, Steuerberater Manfred Klar, erklärte auf Anfrage: „Die OTH Regensburg und die Berufsschule Straubing leisten durch das erstklassige Studienangebot einen wichtigen Beitrag, um den Einstieg für junge Menschen in den Beruf noch attraktiver zu gestalten.“ Nach seiner Überzeugung steht die Steuerberatung vor tiefgreifenden Veränderungen. Vor allem angesichts der rasant fortschreitenden Digitalisierung brauche es jetzt vielseitig und gut ausgebildeten Nachwuchs. Diese Ausbildung fördert und fordert junge Menschen, so der Präsident der OTH Regensburg, Prof. Dr. Wolfgang Baier: „Bei diesem dualen Studium ist neben der Ausbildung zum Steuerberater ein volles akademisches Studium zu absolvieren. Dies fordert die Studierenden enorm und ist sicherlich nicht von allen in gleicher Weise zu leisten.“ Für möglichst gute Rahmenbedingungen, so ergänzt der für das Duale Studium zuständige Vizepräsident, Professor Dr. Thomas Fuhrmann, gibt es eine Vorabzulassung zum Studium. Schon vor Beginn der Ausbildung können sich Studierende um einen Platz an der OTH Regensburg bewerben, bei Zulassung können sie diesen ein Jahr später zu Studienbeginn antreten. Zudem gibt es eine Sonderquote von Studienplätzen für Dual Studierende.“
Der Kooperationsvertrag zwischen Berufsschule und OTH wurde bereits ausgestaltet (siehe Ablaufskizze) und wird in einer Woche von Schulleiter OStD Werner Kiese und dem Präsidenten der OTH Regensburg unterzeichnet.
Die Bewerbung für einen Ausbildungsplatz für nächste Ausbildungsjahr kann bereits jetzt direkt bei den Kanzleien erfolgen. Die Bewerbungsfrist für den Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaftslehre an der OTH Regensburg für das Wintersemester 2018/2019 läuft vom 1. Mai bis 15. Juli 2018.
Ansprechpartner:
Mathias-von-Flurl-Schule
Dipl.-Hdl. (Univ.) Michael Hien, StR, Koordinator für das Duale Studium
michael.hien@bs2-straubing.de