Fake News, Politikverdrossenheit, fehlendes Engagement und Radikalisierung sind Phänomene, die sich in den letzten Jahren in unserer Gesellschaft ausgebreitet haben. Daraus resultiert die Kritik an der Politik und unserem Staatssystem. Diese Situation erreicht auch unsere Auszubildenden als Teil der Gesellschaft. Uns Lehrerinnen und Lehrern ist es ein Anliegen, den jungen Menschen das notwendige Rüstzeug mitzugeben, die Grundlagen unserer Demokratie zu erkennen und für deren Fortbestand einzutreten. Dieses Ziel verfolgen wir im Unterricht über alle Jahrgangsstufen und alle Ausbildungsberufe hinweg. Was bietet sich da besser an, um diese Erkenntnisse aus der Schule zu verinnerlichen und zu vertiefen, als eine Fahrt in das politische Zentrum Deutschlands – nach Berlin.
Seit drei Jahren plant die Mathias-von-Flurl-Schule dieses Angebot für ihre Schüler und Schülerinnen. Corona bedingt mussten jedoch alle Fahrten abgesagt werden. Die Pandemie mit ihren Lockdowns hat dafür gesorgt, dass die Bedeutung der sozialen Medien zugenommen hat. Grund dafür ist, dass die sozialen Medien das persönliche Erleben ersetzt haben und somit Nährboden für die Entwicklung von extremen Ansichten wie z.B. „Querdenkern“ befeuert haben. Deshalb nimmt die Bedeutung der Schulen zu, diesen Entwicklungen entgegenzutreten und den Schülern eine Möglichkeit zu unterbreiten, Politik objektiv zu erleben und zu verinnerlichen.
Planung unter schwierigen Bedingungen
Unsere Berufsschüler und -schülerinnen müssen mit ihrer Ausbildungsvergütung überwiegend selbstständig ihr Leben bestreiten und oft können die Erziehungsberechtigten sie nicht unterstützen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass die Fahrt kostengünstig angeboten werden konnte, um allen Schülern die Teilnahme zu ermöglichen. Das lange bestehende Reiseverbot für Schulen und die Preisentwicklung der letzten Monate machte den Lehrkräften die Planung schwierig, da sich bei allen Leistungsträgern die Preise erhöht, teilweise verdoppelt haben. Erschwerend kam hinzu, dass aktuell kein Zuschuss des Deutschen Bundestags für Fahrten zur politischen Bildung nach Berlin gewährt wird. Hilfreich ist es in dieser Situation, dass unsere Schüler und Schülerinnen in unterschiedlichen Ausbildungsberufen tätig sind und damit verschiedene Fähigkeiten mitbringen. Diese Kompetenzen ermöglichten es, viele Teile der Reise in Eigenregie durchzuführen und auf zugekaufte Leistungen von externen Anbietern zu verzichten. Gut ist ebenfalls, dass wir in dringenden Fällen auch auf unseren Förderverein zählen können.
Von Schüler für Schüler – Ein Spaziergang durch Berlin Mitte
Nach einer Stadtrundfahrt zu den Highlights Berlins begleiteten die Auszubildenden aus dem Bereich Tourismuskaufleute die Kaufleute im Einzelhandel und im Gesundheitswesen durch Berlin. Bei einem Spaziergang durch die Berliner Mitte informierten sie ihre Mitschüler über die bekanntesten Sehenswürdigkeiten zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor. Eine Gruppe durch Berlin zu führen, erfordert nicht nur fachliches Wissen, sondern auch persönliches Engagement, Verantwortungsbereitschaft und Empathie. Die Tourismuskaufleute erfüllten diese Anforderungen durch eine genaue Vorbereitung und eine professionelle Begleitung vor Ort. Die Planung und Umsetzung des politischen Bildungsteils der Fahrt übernahmen die Lehrkräfte.
Zu Besuch bei Alois Rainer
Wenn unsere Schülerinnen und Schüler in wenigen Wochen ihre Ausbildung beenden und im Betrieb sowie in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen, erinnern sie sich hoffentlich an diese Aufforderung. Dazu gehört auch das Bewusstsein, dass die Geschichte unsere Gesellschaft prägt und viele Bestandteile unseres politischen Systems sich aus der deutschen Vergangenheit erklären lassen. Das geschichtsträchtige Berlin ist dafür der richtige Ort. Bei einem „politischen Spaziergang“ führten die Lehrkräfte die Schülerinnen und Schüler zu markanten Orten der Hauptstadt. Vom Checkpoint Charlie vorbei an der eindrucksvollen Dauerausstellung „Topographie des Terrors“, zum Potsdamer Platz und zu den Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Neben dem bekannten und eindrucksvollen Holocaust Denkmal für die ermordeten Juden Europas zeigten sich die Schüler und Schülerinnen von den Denkmälern für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen und die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas tief beeindruckt und betroffen.
Gemeinsam Berlin erkunden
Für unsere Schüler und Schülerinnen ergaben sich ergänzend zum Programm einige Möglichkeiten Berlin selber kennenzulernen. Die Tourismuskaufleute lieferten dazu viele Tipps und interessante Ideen für eine sinnvolle Freizeitgestaltung. Dabei wurde großer Wert daraufgelegt, dies gemeinsam zu erleben, um den Wert der Gemeinschaft nach langer Coronazeit wieder zu entdecken und zu schätzen.
Verantwortung tragen und gemeinsam gestalten macht Spaß. Dieser kam auch auf dieser Studienreise nicht zu kurz. Wenn die Beteiligten aus 5 Klassen sich auch noch vorbildlich diszipliniert verhalten, dann sind alle Anforderungen an eine gelungene Fahrt erfüllt: Neues kennenlernen, gemeinsam Unternehmungen durchführen, verantwortungsvoll für andere Leistungen erbringen und ein Stück selbstständiger werden.
Danke an alle Lehrkräfte der verschiedenen Fachbereiche für die gute Zusammenarbeit in der Vorbereitung und während der Fahrt. Ebenso einen großen Dank an die Schulleitung für die wohlwollende Unterstützung.
Jürgen Cieslik, Daniela Maierhofer, Katharina Peter, Kathrin Schmerbeck, Florian Still, Ursula Stock, Susanne Vaitl, Stefan Zellmeier